„Was macht die Besonderheit des „deutsch-französischen Modells" aus,
jener besonders dichten bilateralen Zusammenarbeit in allen Bereichen des
gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Lebens[…]? Lassen sich die
für die Existenz dieses Modells verantwortlichen Faktoren so allgemein
definieren, dass andere bilaterale Konstellationen damit verglichen werden
können? Wäre es […] sogar möglich, vom historischen und geographischen
Einzelfall zu abstrahieren und allgemeine Empfehlungen zu formulieren, wie
ehedem verfeindete Staaten ihre Beziehungen möglichst konfliktfrei gestalten
können?“
Clémentine Chaigneau,
Stefan Seidendorf
Die Frage nach der Besonderheit
der deutsch-französischen Beziehung steht im Mittelpunkt der 2012 erschienenen
Publikation „Deutsch-französische Beziehungen als Modellbaukasten? -Zur
Übertragbarkeit von Aussöhnung und strukturierter Zusammenarbeit“. Insgesamt
zehn Autoren mit internationalem Hintergrund behandeln Fragestellungen rund um
das deutsch-französische Tandem. Dabei
werden der historische Kontext und die heutige Architektur der Beziehung sowohl
theoretisch erläutert, als auch in einer großen Bandbreite von Fallstudien in
der Praxis auf den Prüfstand gestellt. In einem letzten Teil stellt sich dann
die Frage nach der Übertragbarkeit des deutsch-französischen Modells auf andere
binationale Beziehungen, in diesem Fall konkret auf das Beispiel der deutsch-
tschechischen Beziehungen nach 1989.
Bei den Autoren handelt es sich
dabei nicht um praxisferne Akademiker, sondern um Menschen, die die deutsch-
französische Zusammenarbeit Tag für Tag in ihrem Alltag erleben, so zum
Beispiel als Mitarbeiter des Deutsch-Französischen Instituts (DFI) oder des
Deutschen Historischen Instituts in Paris (DHI), als Projektleiter für
internationalen Dialog und Völkerverständigung in der Stiftungsarbeit oder als
Studentin in einem internationalen Studiengang. Außerdem kommen die ehemalige
Generalsekretärin des Deutsch-Französischen Jugendwerks (DFJW), inzwischen
verantwortlich für die Europakommunikation der Bundesregierung, sowie eine
französische Professorin für Deutschlandstudien der Universität Paris-Sorbonne
zu Wort. Ergänzt wird diese deutsch- französische Autorengruppe durch den
Geschäftsführer des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds.
Das Ziel dieser Arbeit liegt
dabei keinesfalls bei einer blinden Glorifizierung des deutsch- französischen
Modells, vielmehr wird kritisch hinterfragt, ob dieses Modell die hohen
Erwartungen wirklich erfüllt und die ihm zugeschriebenen Leistungen tatsächlich
erbringt. Den Gefahren der unkritischen Überhöhung und der überdehnten
Verallgemeinerung treten die Autoren nach eigenen Angaben durch eine Verbindung
aus der Schilderung des alltäglichen Betriebs auf der einen, und einer
sensibilisierten Modellierung der Spezifika der deutsch- französischen
Nachkriegsgeschichte auf der anderen Seite entgegen. Unter Beachtung dieser
Einschränkungen wird am Ende ein Raster aus allgemeinen Aussagen zur
Funktionsweise des deutsch-französischen Modells geschaffen, das die Grundlage
der Übertragbarkeitsdiskussion bildet. Historische Einzelfälle und Anekdoten werden
dabei bewusst abstrahiert, um eine
möglichst breite Vergleichsbasis zu schaffen.
Im Großen und Ganzen ein
fundiertes und empirisch gehaltvolles Werk, das ein detailliertes Portrait der
deutsch- französischen Beziehungen im 20. Und 21. Jahrhundert zeichnet und
gleichzeitig zur kritischen Reflexion anregt. Die Autoren stützen sich dabei ebenso
auf wissenschaftliche Publikationen, wie auch auf persönliche Erfahrungen, was
den großen Mehrwert der Publikation ausmacht.
Cathérine Schneider
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