Wann habt ihr das letzte Mal so
richtig Kohldampf geschoben? Vermutlich vor nicht allzu langer Zeit… Er befällt
jeden irgendwann. Egal wann. Egal wo. Und dann gibt es plötzlich nur noch ein
Verlangen: Essen!
Kürzlich in der Vorlesung quälte
er mich mal wieder…so sehr, dass ich mich einfach jemandem mitteilen musste.
Und dieser jemand war in diesem Fall meine französische Sitznachbarin Julie.
Bloß konnte die mit dem Ausdruck „Kohldampf schieben“ absolut überhaupt nichts
anfangen und dachte, ich wolle ihr von einer
neuen Diät erzählen, bei der man sich nur von gedämpftem Kohl ernährt.
Als ich mich dann allerdings wenig
später in der Mensa auf das Buffet stürzte, wurde sie stutzig und hakte nach,
was denn aus meiner „gedämpfter-Kohl-Diät“ geworden sei. Ich solle ihr doch bitte mal erklären, was es
mit diesem „Kohldampf“ auf sich habe! Als ich sie darüber aufklärte, dass es
sich dabei keineswegs um eine Diät handelt, sondern vielmehr um das ungezügelte
Verlangen, sich den Bauch voll zu schlagen, war sie endgültig verwirrt. Sie
kenne zwar die Worte „Kohl“ (chou) und „Dampf“ (fumée), aber einen Zusammenhang
mit meinem Heißhunger könne sie weder in dem einen, noch in dem anderen Wort
und erst recht nicht in der Wortverbindung erkennen. Das müsse ich ihr unbedingt erklären!
Gut, man kann seinen Hunger natürlich durch den
Verzehr von Kohl stillen und beim Kochen desselben entsteht Dampf… Ein ziemlich
lascher und wenig überzeugender Erklärungsversuch, findet Julie. Denn er lässt die wesentliche Frage offen:
Warum ausgerechnet Kohl?
Die Suche nach einer plausiblen
Erklärung führt uns mal wieder in die Sprachgeschichte:
Der
„Kohldampf“, den wir sprichwörtlich „schieben“ hat rein gar nichts mit dem
Gemüse zu tun. Es handelt sich vielmehr
um eine Tautologie, also eine Wortdopplung zur Verstärkung. Im sogenannten
Rotwelschen, einem mittelalterlichen Soziolekt von Bettlern, Gaunern und
fahrendem Volk hatten die Begriffe
„Koll“ bzw. „Kohler“ und „Dampf“ die
gleiche Bedeutung: „Hunger“. Durch die Verbindung der beiden Begriffe soll also
ein ganz besonders großer Hunger beschrieben werden. Aber wieso „schiebt“ man
ihn, den Kohldampf? Hier liegt der Wortstamm im Welschen: „schefften“,
bedeutet so viel wie „sitzen bleiben“. Kann man seinen Hunger nicht stillen,
bleibt man gewissermaßen darauf sitzen.
Doch nicht nur die Deutschen
haben von Zeit zu Zeit Heißhunger, auch im Französischen existieren zahlreiche
Möglichkeiten, seinem Hungergefühl Ausdruck zu verleihen: „Avoir une faim de
loup“ zum Beispiel, was mit „einen Bärenhunger haben“ ins Deutsche übersetzt
werden kann. Oder das umgangssprachliche „avoir une fringale“. Dieser Ausdruck
stammt von „faim valle“(mauvaise faim), einer Nutztierkrankheit, die bei
Pferden das Sättigungsgefühl außer Funktion setzt und so zu enormem
Futterkonsum führt. Bis ins 19. Jahrhundert war die Variante „avoir une faim
calle“ gebräuchlich, seit dem 20. Jahrhundert hat sich die „fringale“
durchgesetzt, wenn es darum geht, ein sehr großes und nicht zu unterdrückendes
Hungergefühl auszudrücken.
In diesem Sinne: Bon appétit!
Cathérine
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