Viele Journalisten träumen
davon, als Korrespondent ins Ausland zu gehen. Politik, Wirtschaft, Kultur,
Sport, Alltag und Sozialreportagen: ein Auslandskorrespondent muss den Nerv des
Landes treffen, aus dem er berichtet. Alexander Oetker war drei Jahre lang als
Fernsehkorrespondent in Frankreich und hat dabei Abenteuerliches und
Wunderschönes erlebt.
Wie wird man eigentlich Auslandskorrespondent? Das hatte ich mich schon als Kind gefragt. Und dann war ich's auf einmal. Bei meinem Sender hatte ich schon einige Jahre als Redakteur und Reporter für die Nachrichtensendungen gearbeitet. Als dann der Posten in Paris neu besetzt werden sollte, hab ich es einfach probiert. Bevor ich wusste, wie mir geschah, stand schon der Umzugswagen vor der Tür. Zielort: Paris. Die Stadt meiner Träume. Frankreich. Das Land meiner Sehnsüchte. Eine Sprache, die ich auf dem Papier ganz gut konnte. Im Urlaub Essen bestellen, ein wenig parlieren und flirten? Kein Problem. Von nun an aber französische Minister fehlerfrei interviewen? Uiuiui. Doch diese Angst war spätestens verflogen, als ich in meiner kleinen Wohngemeinschaft ankam, mit Blick auf das Centre Pompidou und quasi in Baguette-Wurfweite von Notre Dame. Gerade mal Zeit für einen Abstecher ins typische Pariser Eckcafé und dann ab ins Büro. Damals saß mein Sender noch auf dem legendären Champs-Élysée, über einer altehrwürdigen Pariser Passage, wo man Macréeanzüge für 1000 Euro erstehen kann. Nun gut.
Savoir-faire = selbst ist der Mann (et la femme)
Kindertraum in la France profonde
Wie wird man eigentlich Auslandskorrespondent? Das hatte ich mich schon als Kind gefragt. Und dann war ich's auf einmal. Bei meinem Sender hatte ich schon einige Jahre als Redakteur und Reporter für die Nachrichtensendungen gearbeitet. Als dann der Posten in Paris neu besetzt werden sollte, hab ich es einfach probiert. Bevor ich wusste, wie mir geschah, stand schon der Umzugswagen vor der Tür. Zielort: Paris. Die Stadt meiner Träume. Frankreich. Das Land meiner Sehnsüchte. Eine Sprache, die ich auf dem Papier ganz gut konnte. Im Urlaub Essen bestellen, ein wenig parlieren und flirten? Kein Problem. Von nun an aber französische Minister fehlerfrei interviewen? Uiuiui. Doch diese Angst war spätestens verflogen, als ich in meiner kleinen Wohngemeinschaft ankam, mit Blick auf das Centre Pompidou und quasi in Baguette-Wurfweite von Notre Dame. Gerade mal Zeit für einen Abstecher ins typische Pariser Eckcafé und dann ab ins Büro. Damals saß mein Sender noch auf dem legendären Champs-Élysée, über einer altehrwürdigen Pariser Passage, wo man Macréeanzüge für 1000 Euro erstehen kann. Nun gut.
Die ersten Monate waren wahrlich
kein Zuckerschlecken. Es bewahrheitete sich, was ich schon auf der Schulbank
geahnt hatte: Die deutschen Französischlehrer reden nicht immer so ganz wie
Einheimische. So saß ich also neben meinem Kameramann und meinem Cutter mit
ihrem Banlieue-Französisch aus irgendeinem hundsverrückten Pariser
Vorort. Hmmmm, auf jeden Fall dachte ich anfangs: Comment? Je ne sais pas!
Das hat ja mal gar nix mit diesem schönen Schulsingsang zu tun, mit
fehlerfreiem Satzbau und einer Grammatik aus dem Lehrbuch. Das klingt kehlig,
hart und rasend schnell! Auch mein Kameramann Christophe konnte mir das plus-que-parfait
nicht einleuchtend erklären. Nun gut, es dauerte seine Zeit bis ich auch wie
die Rotzlöffel aus dem Vorort mitreden konnte. Das kommt zwar nicht so gut an
auf den feinen Gesellschaften im edlen 16. Pariser Arrondissement, aber chm'en
fous, quoi.
Savoir-faire = selbst ist der Mann (et la femme)
Ach ja, und dann war da noch
Paris. Seine Arroganz. Sein Staus. Seine Metro. Seine Pariser. All das stürzte
einen jungen, an die lässig-relaxte Art seiner Heimatstadt gewohnten Berliner
zeitweise in irgendetwas zwischen Melancholie und Wahnsinn. Diese Stadt ist nun
wirklich das Gegenteil von lebenswert, weil man bei schwindelerregenden Preisen
regelmäßig kurz vorm Herzinfarkt steht. Mit der französischen Arbeitsweise
allerdings konnte ich mich tout de suite anfreunden. Einfacher
Grundsatz: Sage dem Kameramann, du brauchst ihn um elf, wenn du um zwölf
losfahren willst. Dann kannst du nämlich pünktlich um halb eins vom Hof rollen.
Man muss sich bloß zu helfen wissen. Der große Unterschied zu meiner Arbeit in
Deutschland war das Maß an Eigenständigkeit, die ein Korrespondent an den Tag
legen muss. Selber interessante Themen und Interviewpartner finden,
Drehgenehmigungen einholen (bei der französischen Administration durchaus
abenteuerlich), Reisen planen, regelmäßig die Technik checken und sein Team
zusammenstellen. Was sich in einer großen Sendeanstalt auf viele Schultern
verteilt, muss ein Auslandskorrespondent schon mal selbst in die Hand nehmen.
Aber was mir und meinem Team in
allen Himmelsrichtungen dieses Landes widerfahren ist, war abenteuerlich bis
wunderschön. Den politischen Herzschlag des Landes misst man natürlich in
Paris, ob im Innenhof des Élysée oder im Inneren eines beliebigen anderen
Ministeriums. Journalisten in Berlin erkennen die Orte der Macht an ihrer
Schlichtheit, ihrer Funktionalität. Die deutsche Fahne ist auch schon das
höchste der (Macht-)gefühle. Und dann Paris: Kronleuchter. Stuck. Kleine
Puttenfiguren an dem Pförtnerhaus aller Ministerien. Zehn Trikolore-Fahnen und
Journalisten, die aufstehen, wenn der Präsident den Saal betritt. Nicht, dass
das bei Angela Merkel zum Standard werden müsste, aber eindrucksvoll ist es
schon.
Kindertraum in la France profonde
Am meisten aber hat mich la
France profonde beeindruckt. Ein, zwei, drei Stunden mit dem TGV hinaus aus
Paris und schon nach wenigen Minuten lockern die Mitfahrer ihre Krawatten. Die
hektischen Pariser Gesten werden ruhiger, die glasigen Blicke finden eine Mitte
und ein Lächeln taucht auf. Steigt man dann aus, kann man - wenn man Glück hat -
noch ein Stück vom viel beschworenen savoir-vivre finden, dem Wissen,
wie man es anstellt, glücklich zu leben. Wir waren sogar beim Arbeiten
glücklich. Einmal standen wir auf dem Bassin d'Arcachon. Also gut, wir standen
auf einem Boot auf diesem Stück Meer, das in den Atlantik mündet. Das Boot
gehörte der Gendarmerie und ist die wohl ungewöhnlichste Polizeipatrouille
Europas. Auf diesem Bassin nämlich befinden sich die meisten Austernzuchten des
Kontinents und weil die Austernzüchter sich gerne gegenseitig das teure Zeug
klauen, gibt es diese Patrouille. Vier Beamte sind permanent unterwegs auf dem
Bassin und beschützen kleine glibberige und sehr wohlschmeckende Meerestiere.
Diese Beamten haben wir einen ganzen Tag und eine Nacht begleitet. Nach einem
stürmischen Nachmittag - mein Kameramann Christophe war längst von schlimmer
Seekrankheit gezeichnet - gab es schließlich ein paar Sonnenstrahlen. Plötzlich
erschien ein doppelter Regenbogen in der Ferne über dem Wasser und über der
riesigen Dune du Pilat. Gleichzeitig entfuhr es Christophe und mir: Oh Mann,
was haben wir für einen tollen Job!
Am Ende des Tages saßen wir
zusammen in einem Restaurant am Ufer, aßen einige Austern und teilten 500-Gramm
Côte-de-boeuf. Wir wussten, was für ein Traum es war, hier zu arbeiten,
wo andere Leute Urlaub machen. Das Tolle an diesem Beruf ist eben genau das: An einem Tag bist du Austernpolizist, am
nächsten Tag für einen ganz kurzen Moment der Kammerdiener des
Staatspräsidenten und dann sitzt du mit dem Clochard unter einer Brücke an der
Seine und unterhältst dich mit ihm über sein Leben. Es ist jeden Tag ein
anderer Beruf, jeden Tag ein anderes Leben. Und jeden Tag ist es doch, bei
allen professionellen Bildern und Interviews, wie ein Kindertraum: Manchmal als
Zeuge von Weltgeschichte, und manchmal als Chronist eines ganz normalen Lebens.
Autor: Alexander Oetker
Redaktion/Fotos: Romy Straßenburg
Redaktion/Fotos: Romy Straßenburg
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