"Bad news are good
news" lautet eine Binsenweisheit unter Journalisten. Schlechte
Nachrichten über die Nachrichtenbranche gibt es dieser Tage en masse. Das
Gejammer ist groß, die Lebenssituation vieler Kollegen dramatisch und daher ist
es mehr als fraglich, ob man den bad news, der Zeitungskrise, etwas
Gutes abgewinnen kann.
Die altgediente Presse, so
scheint es, hat ausgedient, schlimmer noch, sie blutet aus. Auf der
Schlachtbank liegt das gedruckte Wort. Die prominentesten Opfer der letzten
Monate heißen Frankfurter Rundschau,
Financial Times Deutschland oder Abendzeitung Nürnberg. Zuletzt hat
auch noch die Nachrichtenagentur dapd im eng umkämpften Agenturmarkt das
Handtuch werfen müssen. Auf französischer Seite verabschiedeten sich La Tribune
und France Soir schon Anfang 2012 von ihrer Printausgabe.
Eine Branche sitzt hinter den
Gittern eines selbst erbauten Gefängnisses, rief sie doch selbst die Geister
des digitalen Zeitalters hervor, die sie nun nicht mehr loswird. Das Internet
hat unsere Lesegewohnheiten radikal verändert, hat unsere Wahrnehmung von
Nachrichten beschleunigt, unsere Ansprüche an Aktualität verändert, denn - so
lautet eine zweite journalistische Binsenweisheit - "Nichts ist so alt wie die Zeitung
von gestern" und dies gilt heute mehr als je zuvor. Push-Up-Meldungen
aufs Handy, Nachrichtenapplikationen und Online-Mediatheken setzen Medienmacher
unter Druck. Zeit für aufwendige Recherchen, für das sorgfältige Redigieren von
Artikeln ist selten und teuer geworden und ein tragbares Finanzierungsmodel für
Online-Journalismus noch nicht gefunden. So lange Deutschlands meist besuchtes
Informationsportal Spiegel Online keine Pay-Wall einführt, wagt die
Konkurrenz nur zögerlich den Sprung zu bezahlten Inhalten. Allein die Apps der Bild-Zeitung
verkaufen sich nach eigenen Angaben erfolgreich (40,- Euro kostet das
Jahresabo).
Der französische Staat hilft
An vielen Stellen wurde aufgrund
des Zeitungssterbens gar ein Eingreifen von Staatsseite oder finanzielle
Beteiligung von Stiftungen und Vereinen gefordert. Doch Kritiker fürchten, die
Medien könnten ihre Unabhängigkeit verlieren, wenn sie externe Hilfe in
Anspruch nehmen. In Frankreich indes profitieren Printmedien nach wie vor von
indirekten staatlichen Hilfen. Ob Le Monde, Le Figaro, Télérama
oder Regionalzeitungen wie Ouest France, viele Zeitungen genießen
Vorteile durch subventionierte Postgebühren. Der Staat hilft jährlich mit
millionenschweren Finanzspritzen, um die Druckerzeugnisse an Kioske und
Haushalte zu liefern. Darüber hinaus wurde bereits 2012 ein
"Hilfspaket" für die Modernisierung hauptsächlich der Printmedien aufgelegt,
das für 2013 mit 33,5 Millionen Euro beziffert wird.
Auch an anderer Front kämpft die
Republik Seite an Seite mit ihren Presseorganen: im Februar trafen französische
Verleger ein weltweit einzigartiges Abkommen mit Google. Sie forderten eine Gewinnbeteiligung,
weil die Mega-Suchmaschine mit ihren Artikeln Werbeeinnahmen kassiert. Nun will
das US-Unternehmen 60 Millionen Euro für neue Online-Projekte in den Digital
Publishing Innovation Fund zahlen. Ein Gremium aus Google-Vertretern,
Verlegern und Regierung wählen die geförderten Projekte aus. Präsident François
Hollande lobte die Einigung als "gut für die französische Presse, gut
für deren Inhalte und auch gut für Google." Google hat durch diesen
Schritt ein angedrohtes Lizenzgesetz verhindert und Kritiker fürchten, der
Konzern könne zukünftig gezielt Einfluss auf journalistische Inhalte
nehmen.
Dennoch ist diese Art von
gütlicher Einigung ein kleiner Hoffnungsschimmer. Nathalie Collin,
Generaldirektorin der Zeitung Nouvel Observateur und Vertreterin der
französischen Verlage, begrüßt den "gigantischen Schritt des Internets
in Richtung der Herausgeber und im Sinne einer neuen Kooperation beim Wandel
der Presse". Mit neuen Einnahmequellen tut sich die Medienbranche
sowohl in Frankreich als auch in Deutschland bislang schwer. Immer weniger
Journalisten müssen immer mehr Inhalte produzieren. Schreiben allein reicht in
vielen Redaktionen nicht mehr aus. Journalisten sollen Fotos und Videos
liefern, sich auf Foren einmischen und soziale Netzwerke pflegen.
Zukunftshoffnung Qualität
Das Zeitungssterben ohne
staatliches Auffangnetz hat in Deutschland dann auch zur größten
Entlassungswelle seit Bestehen der Bundesrepublik geführt. Hunderte arbeitslose
Journalisten strömen auf den ohnehin übersättigten Markt. Viele von ihnen
werden kurzfristig keine Anstellung finden, werden sich als Freie durchschlagen
oder sich auf andere Bereiche, wie Unternehmenskommunikation oder Pressearbeit
verlagern müssen.
Das Zukunftsgeheimnis, glauben
zumindest Optimisten, liegt im Qualitätsjournalismus. Zeit-Chefredakteur
Giovianni di Lorenzo behauptet sogar, Verleger, Journalisten und
Geschäftsführer in Deutschland seien Teil der "in ihrer Vielfalt,
Ernsthaftigkeit und Unabhängigkeit vielleicht besten Medienlandschaft der
Welt". Dabei sei die Art und Weise, wie wir journalistische Beiträge
zukünftig konsumieren, letztlich egal. Ob auf dem Handy, dem Tablet-Computer,
auf bedrucktem Papier oder am Rechner, auf die Inhalte komme es an. Und unsere
Leser müssen bereit sein, für Qualität zu bezahlen. Wenn die Refinanzierung von
Qualitätsmedien gelingt, können sich Journalisten eines Tages doch wieder über
schlechte Nachrichten freuen. Denn dann sind, so wie es sich gehört, bad
news wieder gute Nachrichten für die Arbeit von Journalisten.
Autorin: Romy Straßenburg
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Links:
Alphabet
zur Medienkrise auf französisch
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