Die Truman-Show im Merkel-Land

Als eher durchschnittlich ehrgeiziger Schüler war man immer sehr dankbar, wenn man anstatt Vokabeln zu pauken oder Macbeth zu lesen einen „pädagogisch wertvollen Film“ im Unterricht schaute. Einer dieser Filme, die einen letztendlich weit länger als die Doppelstunde Englisch beschäftigten, war „The Truman Show“. Auch wenn mal als 17-Jährige nur vorgab jedes gesprochene Wort der Originalfassung verstanden zu haben, so begriff man jedoch sehr deutlich das überaus mulmige Gefühl, das die 24-stündige Überwachung von Jim Carrey alias Truman Burbank auslöste. Armer Jim Carrey - mit 5000 Kameras wird er von jenen überwacht, die er für seine Nächsten hielt.
Was damals für unsereins allenfalls ein Schreckensszenario war, scheint heutzutage Realität zu sein. Ohne die Kuppel natürlich, in der Jim Carreys natürliches Habitat nachgebaut wurde. Wobei man vielleicht auch hier keine voreiligen Schlüsse ziehen sollte.
Dass wir alle überwacht werden, dürfte mittlerweile auch dem Otto-Normalverbraucher klar sein – spätestens seit bei Facebook wie durch Zauberhand eben jene Zalando-Schuhe in der Werbung auftauchen, die man sich gerade eben angesehen hat. Oder rein zufällig Likes von Musikgruppen erscheinen, die man kürzlich gehört hat. Nur dunkel lässt sich erahnen, was für personalisierte Datenmassen von Konzernen wie Google, Facebook und Co. angehäuft werden. Das Internet ist längst zu einem öffentlichen Raum geworden, indem Pins und Tan-Listen genauso wenig verloren haben wie auf der Bank im Stadtpark. Zumindest fühlt es sich so an.
Nachdem Gerüchte kursierten, die Telefongespräche französischer Bürger seien en masse abgehört worden (man munkelt im SPIEGEL es seien um die 70 Millionen Telefonverbindungen innerhalb von zwei Monaten gewesen) und Hollande hierzu gewissenhaft „tiefe Missbilligung“ äußerte, scheint es nun sogar der deutschen Führungselite an den Kragen zu gehen.
Die Medien überschlagen sich förmlich mit Nachrichten über das Ausspionieren von Merkels Handy, Union und SPD geben sich empört, die Kanzlerin ist enttäuscht. Es ist als sei man mitten in eine Beziehungskrise zwischen den politischen Größen dieser Welt geraten. Die NSA hörte Merkels Handygespräche ab.
Die Frage, die sich dabei stellt ist, ob dies wirklich schockierend ist, vor allem nachdem bereits offengelegt wurde, dass die Telefonate und SMS Tausender deutscher Bürger überwacht wurden. Das eigentlich Fragwürdige an diesem ohnehin schon befremdlichen Skandal ist, weshalb solche Dinge geschehen. Aus Sicherheitsgründen? Zum Schutz vor Terrorismus spioniert man Frankreichs Bürger und Deutschlands Kanzlerin aus? Staaten, die sich auf den Titelfotos dieser Welt die Hände reichen und offenkundig ihre Treue und Freundschaft beteuern, belauschen einander? Das Widersprüchlichste daran ist jedoch, dass all dies geschieht, um unsere Freiheit zu bewahren und unsere Demokratie zu beschützen. Totale Überwachung für totale Sicherheit auf Kosten der Freiheit. Volle Kontrolle.
Man fühlt sich, als befinde man sich inmitten einer klassischen Debatte „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“, herausgegriffen aus dem Alltag der Tratsch und Klatsch-Beziehungsforen dieser Welt. Und nun wartet alle Welt, oder eher Deutschland, auf die Entschuldigung von Obama. Man fragt sich, wie diese Beziehung weitergehen wird.
Truman Burbanks Beziehung zu Meryl endet tragisch, als er herausfindet, dass ihre Liebe für ihn ein einstudiertes Spiel war. Vermutlich kann man im Leben nicht alles kontrollieren...

Nadia Wolf

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